In der 2019 errichteten DRK-Siedlungsgemeinschaft in Frankfurt Harheim wurden 24 Wohnungen „für besonderen Wohnbedarf“ zu Sozialwohnungen erklärt. Kurz danach wurden 12 davon „freigestellt“, sodass sie von nicht wohnberechtigten Mieter*innen bezogen werden konnten – obwohl in 2019 überhaupt nur 42 Sozialwohnungen entstanden waren, und annähernd 9.000 Haushalte auf der Warteliste des Frankfurter Amts für Wohnungswesen standen.
In der Planungsphase waren die 24 barrierearmen Wohnungen Harheimer Senior*innen zugedacht worden. Sie sollten zu „mindestens“ der Hälfte gefördert werden, so die FNP vom 02.03.2018: Jetzt wird gebaut – für Flüchtlinge und Senioren. Wahrscheinlich im November 2018 wurden alle 24 Wohnungen zu Sozialwohnungen erklärt, dem Bericht auf der vom Planungsdezernat verantworteten Website frankfurt-baut.de zufolge. Anschließend wurden 12 der 24 Sozialwohnungen nach HwoFG §20 „freigestellt“.
Ich brauchte ein bißchen, um’s zu glauben, aber diese Freistellung ist tatsächlich „rechtlich nicht zu beanstanden“, wie aus dem Amt für Wohnungswesen verlautete. Der Grund: Auf Bundesebene waren das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) und das Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) noch weiter gelockert worden, sodass die bis Anfang der 2000er geltende Hürde des öffentlichen Interesses an der Belegungsbindung zur Verhinderung von Freistellungen entfallen ist. Nun reicht z.B. ein nicht näher ausgeführtes „überwiegend öffentliches Interesse“, um Sozialwohnungen freizustellen und damit ihrer eigentlichen Bestimmung zu entziehen: Eine bemerkenswerte Entwicklung angesichts dramatisch steigender Mieten und des zunehmenden Mangels an bezahlbarem Wohnraum.
Als Antwort auf eine Kleine Anfrage erklärte der damalige Planungsdezernent Mike Josef (SPD) am 20.10.2022, die „Freistellung“ sei erfolgt, um die Ansiedlung eines gemeinschaftlichen Wohnprojekts in die DRK-Siedlungsgemeinschaft zu ermöglichen. Dass Sozialwohnungen zugunsten eines Wohnprojekts „freigestellt“ werden, ist ungewöhnlich, gar in diesem Umfang. Die Gruppe aus dem Vordertaunus, die das Wohnprojekt gründete, wurde ab März 2018 zu Verhandlungen zwischen dem Sozialdezernat, dem Amt für Wohnungswesen, der Baufirma Solgarden und dem DRK Frankfurt hinzugezogen, wie dem o.g. FNP-Bericht zu entnehmen. Der Verein Hestia e.V. wurde erst im August 2018 im Vereinsregister eingetragen. War die Gründung des Gemeinschaftlich-Wohnen-Projekts eines der Ergebnisse dieser Verhandlungen?
Worüber war verhandelt worden? Und warum wurden alle 24 Wohnungen zu Sozialwohnungen erklärt, obwohl bekannt gewesen sein muss, dass die Hestia-Gründungsmitglieder nicht „wohnberechtigt“ waren? Das Ergebnis des Verwaltungsakts war jedenfalls, dass ein Zuschuss zum Mietertrag für 24 Sozialwohnungen in Höhe von 1,2 Millionen Euro generiert wurde, wahrscheinlich zugunsten des Verfügungsberechtigten, nämlich dem DRK Frankfurt.
In seiner Antwort geht Mike Josef nicht auf den Zuschuss zum Mietertrag ein. Aber er verweist darauf, dass für jede der 12 „freigestellten“ Wohnungen ein Ausgleich erfolge, indem die Bindungszeit im zeitlichen Umfang des Freistellungszeitraums verlängert werde. Die Bindungszeit ist allerdings nach §19 HWoFG begrenzt und dauert „längstens bis zu dem in der Förderzusage bestimmten Ende der Bindungen“. Wurde eine Förderzusage mit offenem Bindungsende erteilt?
Die Folge dieser sonderbaren Konstruktion: Das DRK Frankfurt hat zwar den öffentlichen Zuschuss für 24 Sozialwohnungen erhalten, vermietet die 12 „freigestellten“ Wohnung aber als angeblich „frei finanzierte“ zu Indexmieten. Die Hestia-Gründungsgruppe wählte aus den 12 „freigestellten“ Sozialwohnungen welche für sich aus und vergab die verbleibenden Wohnungen nicht bestimmungsgemäß nur an Senior*innen, sondern an eine auffallend heterogene und altersgemischte Gruppe an Mieter*innen mit und ohne Wohnberechtigung aus allen Ecken Deutschlands: Nach welchen Kriterien wurden sie ausgesucht? Und wegen der flexibilisierten Belegungsbindung der Wohnungen können die Mieter*innen der freigestellten Wohnungen sogar davon ausgehen, dass sie sie als Rentner*innen mit geringerem Einkommen zu einer Sozialmiete weiterbewohnen können.
Sonderbar ist auch, dass die Seite mit dem Bericht über die DRK-Siedlungsgemeinschaft auf der Website „frankfurt-baut.de“ irgendwann im November 2022 aus dem Netz genommen wurde. Auf meine Mail vom 23.11.2022 an den Betreiber des Internet-Auftritts bekam ich keine Antwort, woraus ich schloss, dass die Seite absichtlich entfernt worden war. Das thematisierte ich an dieser Stelle und veröffentlicht die gelöschte Seite: Screenshot1/Screenshot2 – und prompt war die Seite wieder im Netz, offenkundig unverändert, wahrscheinlich im Februar 2023.
Last Update: 27. März 2023